Fans des MCU-Universums wissen es ganz genau: Die Liste an Marvel-Bösewichten, die uns über die Jahre auf der Leinwand begegnet sind, ist lang – von ikonisch (Thanos) über charismatisch (Loki) bis hin zu vollkommen belanglos (Malekith, wir sehen dich). Auch das X-Men-Franchise hat mit Magneto, Mystique und Co. abgeliefert. Aber: Das war längst nicht alles.
Wer die Comics kennt, weiß, dass da noch einiges im Schatten lauert – klüger, gefährlicher, abgründiger als alles, was bisher im Live-Action-Rampenlicht stand. Und Marvel? Hält sie uns seit Jahrzehnten vor, als wären wir zu schwach für echte narrative Komplexität. Genug damit. Hier kommen sechs Schurken, die endlich aus dem Panel auf die Leinwand gehören. Das Potenzial, da sind wir uns sicher, wäre enorm.
1. Mister Sinister – vorher zu sehen in X-Men: The Animated Series (1993–1997) und X-Men ’97 (2024– )
Wohl kein X-Schurke wurde öfter angeteasert und konsequenter übergangen als Mister Sinister. In X-Men: Apocalypse tauchte sein Firmenlogo auf, Logan – The Wolverine spielte mit dem Namen Essex – aber statt dem Auftritt kam: Abspann. Dabei wäre Nathaniel Essex der perfekte Antagonist für das postapokalyptische Mutantenzeitalter gewesen – brillant, manipulativ, genverliebt, dabei visuell irgendwo zwischen viktorianischem Dandy und Horror-Rockstar. Während Apocalypse die großen mythologischen Linien zog, hätte Sinister als eleganter Puppenspieler im Hintergrund brillieren können. Eine Figur mit Stil, Skrupellosigkeit und Substanz. Hey, Marvel: Die Bühne steht bereits. Er braucht nur noch einen Auftritt. Und mal ehrlich: Wenn jemand es schafft, Wissenschaft, Dekadenz und Sadismus so charmant zu vereinen, dass man ihm fast verzeiht – dann er. Mister Sinister wäre der Bösewicht, der dem MCU endlich wieder Eleganz und Abgrund zugleich verpasst.
2. Onslaught – vorher zu sehen in X-Men: The Animated Series (1993–1997)
Ihr wollt einen Schurken, der eigentlich gar nicht ins Marvel-Schema passt? Einen, der größer ist als das klassische „Gut gegen Böse“, der statt Muskeln und Mut einfach Bewusstsein als Waffe benutzt – und dabei gleichzeitig Prophet, Dämon und Spiegelbild ist? Dann ist Onslaught euer Mann. Wobei – der „Mann“ aus purer Psychose und Telepathie ist gar kein Mann, sondern die Manifestation all dessen, was Charles Xavier und Magneto über Jahrzehnte verdrängt haben. Der Hass, die Schuld, der moralische Größenwahn – alles, was die X-Men jemals gefürchtet haben, vereint sich in dieser geformten Gedankensphäre aus purer Macht und Wahnsinn.
Geboren aus einem einzigen Moment geistiger Explosion, ist Onslaught weniger Figur als Konzept, weniger Feind als Katastrophe. In X-Men: The Animated Series (1993–1997) blitzt seine Präsenz nur kurz auf – aber jeder, der diese Folgen kennt, spürt: Da ist mehr. Etwas Schwebendes, Bedrohliches, das hinter den Augen der Helden lauert. Und ehrlich gesagt – was wäre furchteinflößender als die Vorstellung, dass Professor X selbst die ultimative Waffe gegen die Menschheit erschafft, einfach, weil er sie zu sehr retten will? In einer Live-Action-Version könnte Onslaught endlich das tun, was Marvel sich seit Jahren nicht traut: Superhelden wieder an die Grenze ihrer eigenen Moral treiben. Keine CGI-Massenkeilerei, keine Multiversums-Exzesse – sondern ein metaphysischer Albtraum, der sich in den Köpfen abspielt. Xavier gegen Xavier. Magneto gegen seine eigene Idee von Freiheit. Und wir, das Publikum, mitten in einem Gedankengewitter, das aussieht wie ein Fiebertraum zwischen Akira, Inception und The Cell.
3. Selene (Black Queen) – vorher zu sehen in Wolverine and the X-Men (2008)
Klassisch, anachronistisch, gewichtig: Manche Schurken drängen sich nicht in den Vordergrund. Sondern: Sie wirken aus dem Schatten, uralt, unbegreiflich, fast religiös. Selene ist eine solche Figur, und wir finden: Sie sollte dringend einen eigenen Film bekommen. Zwar hatte sie in Dark Phoenix einen Kurzauftritt, aber die wahre Selene hat das Kino noch nicht gesehen. Eine Mutantin, die seit der Antike lebt, Lebensenergie wie Atemluft in sich aufnimmt, und Magie praktiziert, die nicht leuchtet, sondern verschlingt. Als Teil des Hellfire Clubs bewegt sie sich in einer Welt aus Macht, Dekadenz und Tod. Kein Zufall, dass sie aussieht wie eine Göttin aus einem vergessenen Pantheon. Selene wäre keine Villain-of-the-Week – sondern fast schon eine mythologische und lange in Erinnerung bleibende Wunde im Marvel-Universum. Sie ist die Verkörperung dessen, was passiert, wenn Unsterblichkeit zur Sucht wird – schön, gefährlich, unersättlich. In ihren besten Momenten wirkt Selene wie ein Crossover aus Elizabeth Bathory und einer satanischen Cleopatra. Ein Live-Action-Film mit ihr wäre kein klassischer Superheldenstreifen, sondern ein dunkles Opernspiel über Macht, Blut und Ewigkeit.
4. Exodus (Bennet du Paris) – vorher zu sehen in X-Men ’97 (2024)
Eines steht fest: Die wahre Apokalypse trägt kein Schwert, sie trägt in erster linie eines: Überzeugung. Exodus ist genau das. Er ist kein Schurke, bestimmt auch kein kein Retter, sondern ein in Glauben gegossener Flächenbrand. Ein ehemaliger Kreuzritter, verflucht durch Zeit und Dogma, halb Engel, halb Fanatiker, und gefährlich gerade deshalb, weil er glaubt, Gott selbst würde ihm die Richtung weisen. Er kämpft nicht für Macht, er kämpft für Wahrheit – und das ist immer der Moment, in dem die Welt zu brennen beginnt.
Bennet du Paris, dieser Name hallt wie ein Gebet aus einer kaputten Kathedrale. Er überlebte Jahrhunderte, Imperien, Ideen. Er war Soldat, Prophet, Ketzer. Heute wäre er der Messias, vor dem Magneto knien würde, wenn er nur den Mut dazu hätte. Exodus hebt die Hand, und Armeen fallen. Er denkt einen Satz zu Ende, und Städte zerfallen zu Staub. Seine Kräfte – Telekinese, Telepathie, Regeneration – sind bloß Werkzeuge einer größeren Obsession: einer göttlichen Ordnung, die nur durch Feuer wiederhergestellt werden kann. In einem Film würde er nicht auftreten – er würde erscheinen. Kein Donner, keine Explosion, nur ein Mann im Mantel, der an dich glaubt, während er dich vernichtet. Eine Figur, die zwischen den Zeilen von Ginsbergs Howl leben könnte: „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked“ – und Exodus wäre der, der sie dort lässt.
5. Emplate – vorher zu sehen in keiner Animationsserie
Einer, der unbedingt ebenfalls einen Live-Action-Auftritt verdient hätte, ist Emplate – ein Mutant aus Generation X, dessen Bedrohung nicht durch rohe Zerstörung entsteht, sondern durch eine existenzielle Störung der Wirklichkeit. Emplate ernährt sich von der Lebensenergie anderer Mutanten, indem er sie über die Wirbelsäule aussaugt – ein Prozess, der seine Opfer verstummen lässt, ihre Identität auflöst und sie in ein leeres, willenloses Dasein stürzt. Er existiert zwischen den Dimensionen, ein Wesen, das nicht ganz hier und nicht ganz dort ist, körperlich deformiert und durch ein unheimlich zischendes Atemgerät entmenschlicht. Seine Erscheinung wirkt wie ein Fiebertraum aus Hellraiser, The Cell und Cronenbergs Die Fliege – ein visuelles Echo aus Albträumen, verstörend und tragisch zugleich.
6. Shadow King
Okay, jetzt wird’s metaphysisch. Der Shadow King ist kein Körper, kein klassischer Feind – sondern ein Bewusstsein, das sich in Gedanken einnistet, in Träumen wächst und Persönlichkeiten von innen heraus zersetzt. Kein Feind, den man besiegen kann. Nur einer, dem man widerstehen muss. Er ist der dunkle Spiegel des X-Men-Universums: kein zerstörerisches Monster, sondern ein Parasit aus Schmerz, Machtgier und uralter Bosheit. Ein Dämon der Identität – geboren aus kollektiver Wut, gespeist von Traumata. In der Serie Legion wurde seine zerstörerische Eleganz bereits angedeutet – stilisiert, surreal, zutiefst beunruhigend. In einer Ästhetik zwischen Delirium und Design. Aber auf der großen Leinwand? Schweigen. Dabei bietet der Shadow King genau das, was moderne Superheldenfilme oft vergessen: eine Bedrohung, die nicht durch Muskelkraft oder Magie zu lösen ist, sondern durch psychische Integrität. Er steht für Kontrollverlust, für das Flackern zwischen Ich und Nicht-Ich. Für eine Realität, die sich auflöst wie Rauch. Kein Finale in Flammen, keine grelle Lösung, nur der lange Schatten einer zerstörten Identität.Dafür ein leiser, langsamer Zerfall. Sollte Marvel mal etwas tiefer gehen wollen? Wir wüssten da, wie.





























































































































































































































